Chronik des Ringens

Ringen

Chronik des Ringens (Teil 6 – 1900 – 1945)

1900 Anlässlich der Weltausstellung in Paris werden am 20.5.1900 die II. Olympischen Spiele der Neuzeit eröffnet und dauern bis zum 24.10. insgesamt fünf Monate. Die Athleten erfahren oft erst nachträglich, dass sie nicht an einem internationalen Championat oder an einer WM, sondern an den Olympischen Spielen teilgenommen haben. Unter 17 Sportarten in 80 Disziplinen wird kein Ringerwettbewerb ausgetragen. Dies dürfte einmalig in der Olympischen Geschichte sein.

1901 Georg Hackenschmidt aus Reval erhält den Beinamen "Russischer Löwe" und wird gegen den 84 kg schweren Belgier Constant le Boucher mit einem Schultersieg nach sieben Minuten am 19.12.1901 inoffizieller Weltmeister im Auto-Velo des Casino de Paris. Das Turnier dauerte insgesamt 42 Tage. Hackenschmidt erhält 3000 Frs. und zwei Goldmedaillen. Er ist nicht nur Weltmeister aller Klassen, sondern bekommt auch noch den 1. Preis des Schwergewichts.

1902 Georg Hackenschmidt schafft im Rückkampf gegen Constant le Boucher innerhalb von drei Stunden nur ein Remis und darf den Titel behalten. Man beschließt, dass künftig ein Schultersieg erreicht werden muss, um einen Titel zu erringen.

1902 Am 30.3.1902 findet im Münchner Cirkus Bavaria wieder die "Meisterschaft der Welt für 1902 um den Goldenen Gürtel" statt.

1903 Gustav Fristensky aus Böhmen wird inoffizieller Europameister in Rotterdam.

1904 Bei den offiziellen Weltmeisterschaften (nur griech.-röm. Stil) in Wien werden die Teilnehmer gewogen, und es gibt verschiedene Gewichtsklassen.

1904 Anlässlich der Weltausstellung in St. Louis finden dort die III. Olympischen Spiele der Neuzeit vom 1.7. – 23.11. statt. In Amerika gibt es natürlich nur den freien Stil in sieben Gewichtsklassen und es beteiligen sich beim Ringen nur US-Sportler am Wettbewerb.

1905 WM in Berlin

1906 Nach dem Reinfall von St. Louis finden 1906 in Athen olympische Zwischenspiele statt, um der Idee neue Impulse zu geben. Es beteiligen sich nicht viele Europäer, da ihnen der Weg nach St. Louis zu weit und zu kostspielig ist. Die Stilart ist wie 1896 nur griechisch-römisch. Sechs Deutsche starten beim Ringerturnier. Eine Medaille gewinnen sie jedoch nur zusammen mit den Gewichthebern und Leichtathleten im Tauziehen.

1908 IV. Olympischen Spiele in London vom 27.4.-31.10. Dieses Mal werden bei den Ringerwettbewerben beide Stilarten ins olympische Programm aufgenommen. Es startet mit Wilhelm Grundmann nur ein deutscher Ringer in London.

1911 Der DAV nennt sich ab 1911 Deutscher Reichsverband für Athletik (DRfA). Der Nürnberger Georg Helgerth wird Weltmeister in Dresden. Im Jahr 1911 finden insgesamt fünf Weltmeisterschaften statt und jede WM galt 1911 als die einzig wahre Meisterschaft.

1912 Am 5.5. Eröffnung der V. Olympiade in Stockholm. Das IOC vergibt die VI. Spiele nach Berlin. Hierzu wird es aufgrund des 1. Weltkrieges jedoch nicht kommen. Der nur 52 kg schwere Nürnberger Georg Gerstacker (geb. am 3.6.1889) holt als leichtester Teilnehmer im Federgewicht mit Rang zwei die erste Olympische Medaille für Bayern im Jahr 1912. Hierfür musste der für Sandow Nürnberg startende Franke nach sieben Siegen im Halbfinale zwei Stunden und 13 Minuten gegen Lasanen aus Finnland ringen, da die Endkämpfe bis zur Schulterniederlage oder Aufgabe zeitlich unbegrenzt festgelegt waren. Lasanen überließ daraufhin völlig erschöpft seinem Landsmann Koskela kampflos den Sieg und dieser war im Endkampf im Gegensatz zu Gerstacker völlig ausgeruht. Nach 24 Minuten war die Energie des Sandowers erschöpft und Koskela gewann mit einem Nackenhebel.Noch krasser fiel die Entscheidung im Mittelgewicht (75 kg) aus. Der Finne Alfred Asikainen, der Schwede Claes Johannson und Martin Klein aus Russland lauteten die Finalisten. Da Asikainen und Klein hartnäckig volle zehn Stunden auf der Matte standen, ehe der Russe glücklich den Sieg zugesprochen bekam, waren beide natürlich absolut ausgebrannt. Johannson brauchte mit beiden nicht mehr zu ringen, da sie verständlicherweise nicht mehr antreten wollten. Diese unrühmliche Goldmedaille des Schweden und ein neunstündiges Remis im Halbschwergewicht (82,5 kg) mit zwei Silbermedaillengewinnern gaben mit den Ausschlag zur allgemeinen Einführung der Punktwertung nach dem ersten Weltkrieg.

1913 Gründung eines Internationalen Amateurverbandes für Schwerathletik am 9.6. in Berlin.

1920 VII. Olympiade in Antwerpen vom 14.8.-12.9. In Belgien dürfen keine deutschen Sportler antreten. Die Stilart ist nur griechisch-römisch und die fünf Goldmedaillen gehen nach Skandinavien.

1921 Die ersten wirklich offiziellen Weltmeisterschaften der Ringer werden in Helsinki ausgetragen. Die Stilart ist nur der griechisch-römische Stil und die Freistil-Ringer müssen noch 30 Jahre warten. Die fünf Goldmedaillen gehen wieder nach Skandinavien (diesmal Finnland). Deutsche dürfen nicht an den Start gehen.
Gründung der IAWF (ab 1964 FILA), also eines Weltverbandes nur für Ringer.

1922 Die deutschen Sportler rufen wegen ihres olympischen Ausschlusses die "Deutschen Kampfspiele" ins Leben.

1924 VIII. Olympiade in Paris vom 4.5.-27.7. Es werden beide Stilarten in sieben bzw. sechs Gewichtsklassen ausgetragen. Die Schweizer Schwinger holen vier Medaillen bei den Freistilringern. Deutsche Sportler dürfen in Paris nicht teilnehmen und machen im Juli eine "Frankfurter Olympiade" mit internationaler Beteiligung.

1925 Erste offizielle Europameisterschaft am 20.12. in Mailand. Der 1903 in Fürth geborene Fritz Bräun wurde für die Spielvereinigung Fürth Europameister im Mittelgewicht, verließ allerdings früh das Frankenland, um im Rheinland für Bad Kreuznach zu starten.

1928 IX. Olympiade in Amsterdam mit Beteiligung von Deutschland. Im Freistil geht man leer aus, doch im griechisch-römischen Stil gewinnt Deutschland die Medaillenwertung. Eduard Sperling, geboren 1912 in Hamm, gewann in Amsterdam 1928 die Silbermedaille für Heros Dortmund. Zwischen 1925 und 1928 schlüpfte er für Nürnberg 04 ins Ringertrikot. Kurz vor den Spielen war der Leichtgewichtler von Nürnberg nach Dortmund übergesiedelt. Ein Nürnberger gewann 1928 in Amsterdam die erste Olympische Goldmedaille für Bayern. Nach dem Berliner Schuhmann (1896) war dies erst die zweite Goldmedaille für Deutschlands Ringer. Der am 13.3.1903 geborene Kurt Leucht wurde für seinen Heimatverein SC Maxvorstadt 04 Nürnberg Olympiasieger im Bantamgewicht mit einem Schultersieg innerhalb von vier Minuten gegen Jindrich Maudr aus der Tschechoslowakei. Bereits 1921 war das Talent von Leucht aufgefallen, als da der jugendliche Maxvorstädter dem berühmten Gerstacker 20 Minuten auf der Matte Paroli bot. 1931 wurde er in Prag Vize-Europameister.Silber ging in Amsterdam noch an den Halbschwergewichtler Adolf Rieger (Berlin) und Bronze an Georg Gehring (Ludwigshafen) im Schwergewicht.
Im Jahr 1928 hatte allein der DASV 121.000 Mitglieder aus 860 Vereinen in Deutschland. Eine Zahl, die er nie mehr erreichen konnte.

1929 Die erste offizielle Freistil-Europameisterschaft wird ausgetragen.

1931 Jean Foeldeak wird in Budapest für Deutschland Europameister im Weltergewicht bei den Freistil-Ringern. Er hieß früher Janos und stammte eigentlich aus Ungarn.

1932 In Los Angeles folgte bei der X. Olympiade 1932 wiederum von einem Nürnberger die nächste olympische Goldmedaille. Abermals im klassischen Stil und im Bantamgewicht. Jakob Brendel war zwar im pfälzischen Speyer geboren, schnürte jedoch für die Sportvereinigung Sandow Nürnberg die Ringerschuhe. Sein Verein Sandow hatte mit einem Zuschuss von 1.000 Reichsmark die Olympiateilnahme überhaupt erst möglich gemacht. Nach vier Siegen stand er im Endkampf und fertigte hier den Franzosen Francois ab. Aufgrund eines verlorenen Vorrundenkampfes gegen Brendel zückte der Italiener Marcello Nizzola in der Garderobe erbost sein Messer. Ein Polizist entwaffnete den heißblütigen Italiener und Brendel blieb unverletzt. Am 6.2.1932 säumten 50.000 Nürnberger die Straßen der Innenstadt bei seiner triumphalen Rückkehr.Silber gingen an Wolfgang (Bubi) Ehrl, Eduard Sperling und Jean Foeldeak.

1933 Kurt Hornfischer gewinnt für 04 Nürnberg im Schwergewicht seinen ersten EM-Titel in Helsinki im gr.-röm. Stil.

1936 Bei den XI. Olympischen Spielen (1.-16.8.) in Berlin schlug mit dem 1915 in Fürth geborenen Ludwig Schweikert wieder ein Bayer zu. Der Olympiazweite im Mittelgewicht wurde Berufssoldat, startete für Berlin und holte ab 1937 noch acht Deutsche Einzeltitel in beiden Stilarten.
Der 1910 in Gera geborene Kurt Hornfischer wechselte mit 22 Jahren zu 04 Maxvorstadt und holte im Schwergewicht 1936 trotz eines kurz zuvor ausgekugelten Ellenbogengelenks ebenso eine Bronzemedaille nach Nürnberg wie sein Vereinskamerad Jakob Brendel im Bantamgewicht. Der Wahlfranke wurde in der internationalen Presse zwar als weltbester Bantamringer tituliert, hatte den Schweden Svensson auch schon nach Punkten besiegt und musste den Nordländer aufgrund seines Fehlpunktstandes dennoch ins Finale ziehen lassen. In der ersten Runde wurde Brendel durch ein Fehlurteil gegen den Tschechen Hyza aus der Bahn geworfen und um seine zweite Goldmedaille gebracht. Der Zimmermann Hornfischer drückte in der Brückenstellung 135 kg, warf den Diskus 40 Meter und war ein ausgezeichneter Leichtathlet und Schwimmer. Zwischen 1933 und 1937 errang der 1,90 m große Athlet viermal den Titel eines Europameisters im Schwergewicht. Auch aufgrund dieser Verdienste wurde er bereits 1935 Baubeamter bei der Stadt Nürnberg. Mit nur drei Wochen Vorbereitungszeit musste er 1936 nach Berlin. Seine Luxation am linken Arm war noch nicht ganz verheilt, doch die Olympischen Spiele ließen sich nicht verschieben. Die Presse machte den "Prachtkerl Hornfischer" dennoch zum Favoriten, aber das Schicksal gönnte ihm 1936 "nur" die Bronzemedaille. Fritz Schäfer aus Pirmasens errang im Welter ebenso wie Wolfgang (Bubi) Ehrl Rang zwei. Johannes Herbert (Bantam) und Erich Siebert errangen noch Bronze bei den Freistil-Ringern.

1944 Der Ringer Werner Seelenbinder, Olympia-Vierter 1936 in Berlin für Deutschland, wird von den Nazis als kommunistischer Widerstandskämpfer in Brandenburg-Görden hingerichtet.

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