Chronik des Ringens

Ringen

Chronik des Ringens (Teil 5 – 1800 n.Chr – 1899 n.Chr.)

ca. 1800 Der Schöpfer der damaligen Gymnastik, GuthsMuths, gab folgendes Urteil über den Ringkampf: "Die ganze Lehre von der Leibesübung hat nicht eine einzige (Anm.:Disziplin) aufzustellen, welche alle Muskeln und Glieder so allgemein in Anstrengung brächte und keine, welche zugleich unter dem schnellen Wechsel bald diese, bald jene Muskeln und Glieder in Anspruch nehme als das Ringen."Anton Vieht : "Nichts kann wohl mehr die Kraft aller Muskeln erhöhen als der Kampf des bloßen Menschen gegen den bloßen Menschen; nichts ist eigentlicher Gymnastik als Ringen.

1805 Am Fuß der Burgruine Unspunnen findet das Älplerfest der Schweizer Hirten statt. Aus dem lokalen Wettstreit des Jahres 1215 ist ein überregionales Kräftemessen geworden. Im Mittelpunkt stehen die Ringkämpfe im Schwingen. Die Helvetier nennen ihre Kampfweise auch Hosenlupf, da der Kontrahent an der Hose gehalten und fixiert wird. Die Schweizer Turn- und Schwingerfeste werden für Deutschland zum Vorbild. Die am Anfang in Deutschland untersagte Turnbewegung setzt sich erst 36 Jahre später durch.

1811 Turnvater Friedrich Ludwig Jahn (1778 – 1852) legt auf der Hasenheide im Süden von Berlin den ersten Turnplatz an. Von 1814 – 1818 finden die Jahn´schen Turnfeste statt, die jedoch von der Obrigkeit unter Strafe verboten wurden. Sie hatten das Ringen als festen Bestandteil im Programm bei der Sportart "Turnen".

1841 Erstes freies Turnfest in Deutschland in Frankfurt am Main. Die Sieger erhalten Lorbeerkränze.

1845 Erste athletische Wettkämpfe in Montreal (Old English Games) u. a. mit Ringen

1864 Rudolf Schärer gibt in der Schweiz die erste schriftliche Schwingerlehre heraus.

1879 Das griechisch-römisch Ringen war bei den Turnern in Deutschland noch unbekannt. Man übte nur den Turner-Ringkampf, identisch auch mit dem als deutsches Flachringen bezeichneten Zweikampf, aus. In einer mit Gerbrinde gefüllten Grube wurde gekämpft. Man kannte noch keine Ringermatte, sondern kämpfte auf Pferdedecken oder mit Häcksel gefüllten Säcken in der Grube. In der Stadt wich man auf einen Tanzsaal oder das Nebenzimmer einer Gastwirtschaft aus. Kampfbeginn war immer im Stand, eine angeordnete Bodenlage oder einen Bodenkampf gab es nicht. Wer "flach lag" hatte verloren, wovon offensichtlich auch die ungewöhnliche Bezeichnung stammte. Wer das Knie beugte und mit ihm den Boden berührte, wer auf den Bauch oder die Schultern fiel, hatte verloren. Im Liegen wurde also in dieser Zeit bei den Ringern nicht mehr weitergekämpft! Die Turner hatten somit die Kampfweise aus der Antike übernommen.

1884 Als der 103 kg schwere Mecklenburger Carl Abs am 18. Mai 1884 in New York nach zwei Stunden Kampfzeit mit einem Schultersieg über William Muldoon die erste offizielle Professional-Weltmeisterschaft im Freistil holte, bekam der Ringkampf in Deutschland immer mehr Anhänger. Der 1,84 m große Modellathlet arbeitete als Zimmermann in Hamburg und war für alle Hanseaten eine Sensation. Abs soll Mitglied im ersten Ringerverein Deutschlands gewesen sein, dem Wandsbeker Athleten-Club von 1879. Ob der MTV München oder der Wandsbeker Verein den Titel des ältesten Vereins führen darf, ist nur schwer zu klären, da der korrekte Gründungsmonat nicht bekannt ist. Für 100 Goldmark besiegte Abs schon 1882 im Carl-Schulze Theater in Hamburg den "Eisernen Wilhelm". Anstatt Balken zu schleppen wurde er nun Berufsringer und eilte von Erfolg zu Erfolg. Er besiegte Tom Cannon (England), Doublier (Frankreich) und Matsado Sorakichi (Japan). Als Carl Abs zeitweise keine Herausforderer mehr fand, trat er im Zirkus als Kraftmensch auf. 1888 zog er an einem Gerüst mit dem Oberkörper ein Pferd in die Höhe und schaukelte es hin und her.

1891 In Duisburg wurde der Deutsche Athleten-Verband (DAV) für Ringer und Schwerathleten mit dem 1. Vorsitzenden Rudolf Bredemeyer (Köln) gegründet. Wie schon in der Antike galten auch um die vorletzte Jahrhundertwende die Ringer und Schwerathleten als die schönsten Männer.

1893 Der Kölner Atheletenklub 1882 trägt in Köln ohne jede Gewichtsklasseneinteilung die erste "Meisterschaft von Deutschland im Ringen" nach den Turnerregeln aus. Der Metzger und Gastwirt Hubert Schwerger wurde der erste Deutsche Ringermeister. Obwohl es bei dieser Meisterschaft noch keinen Bodenkampf gab, wird sie unter der Bezeichnung griech.-römischer Stil im Handbuch des DRB geführt.

1894 Im Juni 1894 fand im Münchner Cirkus Bavaria ein Ringkampf zwischen Carl Abs und dem Italiener Antonio Pierri statt. Der Ringkampf bekam dadurch in Bayern und Deutschland eine weitere Anhängerschar und besonders im Münchner Westend kam es zu Neugründungen. Der Cirkus Bavaria befand sich unterhalb des Pollingerkellers, jetzt Hackerbräukeller.

Anmerkung:

Der Ursprung des gr.-röm. Ringkampfes ist nicht einwandfrei geklärt. Ein gewisser A. Castelli behauptete, dass der Italiener Basilio Bartoletti der Gründungsvater der neuen Ringkampfart ohne Beineinsatz sein soll. Glaubwürdiger sind allerdings doch die Aussagen, dass diese Ringkampfart aus Frankreich stammt. So sind J. P. Clement und L. Lacaze der Meinung, dass der "französische Ringkampf" seinen Ursprung in Burgund hat. Diese Schlussfolgerung basiert auf Feststellungen von S. S. Sussenrand, dass bereits im 15. Jahrhundert die Adligen einen Ringkampfstil prägten, in dem nur Griffe oberhalb der Gürtellinie erlaubt waren. Die Ursprünge liegen wahrscheinlich in der Bretagne, denn der bretonische Stil, genannt auch "gorai" wird bereits im 18. Jahrhundert in den Büchern von Cambry und Emile Souvestre beschrieben.
Aus dem in Frankreich entstandenen "Wälzringen", einem Ringkampf mit Bodenkampf und eigenem Reglement, entwickelte sich die Stilart "griechisch-römisch". Die Angriffe und Abwehrtechniken werden zwischen Scheitel und Gürtellinie begrenzt. Angriff und Verteidigung mit den Beinen sind deshalb nicht erlaubt. Um die neue Stilart vom deutschen Flachringen der Turner zu unterscheiden, wurde der Name "griechisch-römisch" gewählt.

1896 Die Krönung schaffte aber der Kölner Carl Schuhmann (geb. 12.5.1869 in Münster)im Jahr 1896. Bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit holte der Turner und Ringer in den Gerätewettbewerben drei Goldmedaillen und stand auch im Ringkampf im April 1896 auf dem höchsten Treppchen. Im Weitsprung schaffte er beachtliche 5,70 Meter und belegte Rang sieben. Der nur 1,57 cm große und 71 kg schwere Kölner erreichte zur allgemeinen Verblüffung das Finale gegen den Griechen Antonios Tsitas. Der Kampf ging bis zum Einbruch der Dunkelheit und musste am nächsten Tag fortgesetzt werden. Carl Schuhmann sorgte mit seinem Olympiasieg für eine Euphorie und die Geburtsstunde weiterer zahlreicher Ringervereine in Deutschland. In Griechenland hatte er den Beinamen "Kleiner Apollo" erhalten und der griechische König bot dem populären Sportler im Scherz einen Ministerposten in seinem Kabinett an. Die ersten Olympischen Spielen der Neuzeit fanden übrigens nur im griechisch-römischen Stil statt. Schuhmann ging 1899 als Turnlehrer der German Gymnastic Society nach England. Er wurde 1903 nochmals Deutscher Turnfestsieger und stand nach seiner Rückkehr bis 1939 der Charlottenburger TG als Turnwart zur Verfügung. Schuhmann verstarb am 24.3.1946 in Berlin.

1898 Der Franzose Paul Pons nennt sich Weltmeister, taucht jedoch in den Siegerlisten der FILA nie auf, da erst ab 1904 offizielle Weltmeisterschaften ausgetragen wurden. Diese Pseudoweltmeisterschaften fanden überwiegend in Europa statt und erst nach Gründung eines Weltverbandes (1913 bzw. 1921) gab es richtige WM-Veranstaltungen.

1898 Der Este Georg Hackenschmidt wird inoffizieller Europameister im griech.-römischen Stil und bleibt 10 Jahre unbesiegt. Er wurde 89 Jahre alt und verstarb als reicher Mann in England. Erwähnt werden muss noch der zweite Este Lurich. Der Gentleman-Sportler beherrschte zwölf Sprachen als er 1920 mit nur 44 Jahren verstarb.

1899 gewinnt der Weltmeister Kara-Ahmet in Paris das Ringerturnier um den Goldenen Gürtel. Der Siegergürtel aus massivem Silber und Gold wiegt vier Kilogramm. Er besteht aus drei großen Münzen, auf denen die Taten des Herakles dargestellt sind.

Zurück zur Ergebniss-Übersicht dieser Sportart