Tagebuch 16.02.2002

Olympische Spiele Salt Lake City 2002

Tagebuch 16.02.2002

Am heutigen Wettkamptag standen wieder Biathlon-Wettbewerbe auf dem Programm. Diese Ankündigung allein war Garantie, dass es wieder zu Medaillen für deutsche Wintersportler reichen wird und so kam es auch.

Beim letzten Einzelwettbewerb bei den Herren (12,5km Verfolgung) demonstrierte einmal mehr der Norweger Ole Einar Björndalen seine derzeitige Ausnahmestellung. Als Olympiasieger im Sprint bereits als Erster ins Rennen gegangen, gab er sich keine Blöße. Er leistete sich zwar zwei Schießfehler, aber seine Konkurrenten hatten mindestens dieselbe Anzahl zu verzeichnen. So hatte Björndalen keine Probleme, seinen dritten Olympiasieg im dritten Rennen unter Dach und Fach zu bringen. Um die Silbermedaille entbrannte ein harter Kampf zwischen Raphael Poiree (FRA) und dem "Dauervierten" Ricco Gross (GER). Beim vierten und letzten Schießen jedoch traf Ricco Groß zweimal nicht, die vorhergegangenen drei Schießen hatte er fehlerfrei absolviert. So war der Weg frei für Raphael Poiree, der Silber gewann. Bronze jedoch ging an Ricco Groß - eine verdiente Medaille, nachdem er zuvor von Pech verfolgt war und zweimal den undankbarsten Platz, nämlich den Vierten, belegte.

Beim Damen-Verfolgungsrennen gingen die beiden Deutschen Kati Wilhelm und Uschi Disl als Erste an den Start. Doch bereits beim ersten Schießen zeigten Wilhelm und Disl Nerven, Wilhelm machte drei Fehler und Uschi Disl einen. Für Disl wurde es ein schwarzer Tag, insgesamt verfehlte sie sieben Scheiben, belegte aber dennoch durch eine starke Laufleistung Platz 9. Vor dem letzten Schießen hatten sich die Favoritinnen Magdalena Forsberg (SWE) und Liv Grete Poirée (NOR) sowie die Außenseiterin Irina Nikultschina (BUL) etwas abgesetzt. Dahinter folgten die beiden deutschen Biathletinnen Kati Wilhelm und Uschi Disl. Die drei Führenden verloren die Nerven und leisteten sich alle je 2 Schießfehler. Dies war die Chance für Kati Wilhelm und Uschi Disl: Während Wilhelm die Chance nutzte, blieben bei Uschi Disl erneut drei Scheiben stehen. Zusammen mit Kati Wilhelm ging Olga Pylewa aus Russland, die von hinten immer näher an die Erstplatzierten herangekommen war, als Erste aus dem Schießstand. Nach wenigen Metern war klar, dass Kati Wilhelm der Russin nicht folgen konnte. Somit ging die Goldmedaille an Olga Pylewa, während Kati Wilhelm ihrer Goldmedaille vom Sprint eine Silbermedaille in der Verfolgung hinzufügte. Bronze gewann überraschend die Bulgarin Irina Nikultschina, die sich gegen die Top-Favoritinnen Liv Grete Poiree und Magdalena Forsberg durchsetzte.

Beim Eisschnelllaufen der Herren über 1000m gewann etwas überraschend der Niederländer Gerard van Velde, welcher bisher in seiner Karriere stets medaillenlos geblieben war. Zweiter wurde sein Landsmann und Weltmeister Jan Bos vor dem Amerikaner Joey Cheek. Der 500m-Olympiasieger ging ebenso leer aus wie Ex-Weltrekordler Jeremy Wotherspoon aus Kanada. "Ex-Weltrekordler" deshalb, da Gerard von Velde nicht nur gewann, sondern in 1:07,18min auch noch einen neuen Weltrekord aufstellte. Die deutschen Starter Michael Künzel, Jan Friesinger und Christian Breuer spielten bei diesem Rennen keine Rolle.

Beim Zweierbob der Herren ruhten in den ersten beiden Läufen die Hoffnungen auf den Routinier Christoph Langen. Zwar musste er aus Verletzungsgründen auf seinen gewohnten Anschieber Marco Jakobs verzichten, doch im Training erzielte Christoph Langen auch mit seinem "neuen" Anschieber Markus Zimmermann deutliche Bestzeiten. Bei beiden Rennen jedoch kam Langen nicht an die Startzeiten heran, die er mit einem gesunden Marco Jakobs hätte erzielen können.  Er war immer ca. fünf Hundertstelsekunden beim Start zurück, holte aber während des Rennens immer mehr auf. Nach zwei Läufen liegt Christoph Langen lediglich auf Platz 2, der Rückstand auf Christian Reich (SUI) jedoch ist minimal (1/100-Sekunde!!). Es wäre schon etwas enttäuschend und eine weitere Goldhoffnung dahin, wenn Christoph Langen in den Läufen drei und vier nicht doch noch ganz nach vorne kommt.

Bei der Nordischen Kombination stand das Mannschaftsspringen an, welches am vergangenen Donnerstag witterungsbedingt verschoben werden musste. Erwartungsgemäß liegen die Finnen vor den Österreichern in Führung. Der 5. Platz der deutschen Mannschaft ist sicherlich  alles andere als gut, doch der Rückstand auf die drittplatzierten Amerikaner beträgt lediglich 17 Sekunden. Auf Platz 4 liegt das japanische Team. Es bleibt abzuwarten, ob die deutsche Mannschaft noch den Sprung auf das Treppchen schafft. Der schwache Auftritt im Einzelrennen von Ronny Ackermann, welcher beim Springen wiederum nicht restlos überzeugen konnte, dürfte die Erwartungen zusätzlich dämpfen.

Die Damen-Eishockey-Mannschaft erreichte gegen China immerhin ein 5:5 Unentschieden und somit den dritten Gruppenplatz vor China. Somit spielt die deutsche Mannschaft um Platz 5.

Den deutschen Curling-Teams scheint langsam aber sicher die Luft auszugehen, denn sowohl die Damen als auch die Herren mussten weitere Niederlagen einstecken. Die Damen gewannen zwar noch ihr erstes Spiel gegen Schweden, verloren dann aber gegen die USA.

Man sollte das Abschneiden der deutschen Olympiamannschaft im übrigen nicht so euphorisch sehen, wie es teilweise in der Presse gesehen wird. Die Zwischenbilanz fällt sicherlich gut aus, vor allem wenn man den Vergleich mit den Sommersportlern in Sydney 2000 heranzieht. Zieht man jedoch den Vergleich mit Nagano 1998 heran, so fällt  bei näherem Hinblicken deutlich auf, dass Deutschland in einigen Sportarten den Anschluss an die Weltspitze verloren hat. Beispiele? Bei den Snowboard-und Freestyle-Wettbewerben gab es 1998 noch Medaillen, 2002 kamen die deutschen Teilnehmer nicht einmal in die Nähe der Medaillenränge. Auch in der Nordischen Kombination, wo die Leistungen im Weltcup zu berechtigten Hoffnungen Anlass gaben, und im alpinen Skisport konnten die Erwartungen bisher bei weitem nicht erfüllt werden. In der einstigen Domäne "Ski-Alpin" steht unter dem Strich bisher lediglich eine Bronzemedaille durch Martina Ertl und die war auch noch einigermaßen überraschend. Die letzte Chance auf olympisches Edelmetall bietet sich morgen im Super G der Damen. Ob jedoch Hilde Gerg und Petra Haltmayr, welche bislang alles andere als überzeugt haben, mit diesem Druck der "letzten Chance" fertig werden, darf auf alle Fälle in Frage gestellt werden. Über das Niveau der deutschen Herren sollte man lieber den Mantel des Schweigens hüllen.

Tatsache ist, dass das bisherige gute Abschneiden letztendlich "lediglich" drei Sportarten zu verdanken ist: Rodeln, Eisschnelllaufen und Biathlon. Auch im Skispringen konnten die zugegebenermaßen hochgesteckten Erwartungen bei den beiden Einzelspringen nicht realisiert werden. Zu Hoffnungen gaben die ersten Auftritte der Curling-Mannschaften Anlass, aber in den letzten Spielen gab es doch für beide Teams wesentlich mehr Niederlagen als Siege.

Fazit: Wir möchten hier das Abschneiden der deutschen Mannschaft nicht in den "Senkel" stellen - schließlich wurde dieses auch von uns mit "gut" bewertet, aber wir verfallen nicht in die Extreme bestimmter Presseorgane. Es gibt zwar viel Licht, aber dennoch auch einigen Schatten, was das Abschneiden der deutschen Wintersportler betrifft.

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