Tagebuch 15.02.2002

Olympische Spiele Salt Lake City 2002

Tagebuch 15.02.2002

Am 15.02.2002 standen lediglich vier Entscheidungen auf dem Programm und gleich bei der ersten Entscheidung im Rodeln (Doppelsitzer der Herren) waren die deutschen Aussichten auf weitere Medaillen gut:

Am Start waren die zweifachen Weltmeister Patric Leitner und Alexander Resch aus Berchtesgaden sowie die zwei "Steffens" (Steffen Skel und Steffen Wöller). Letztgenannte waren erst kurz zuvor ins Olympia-Aufgebot gerückt, nachdem ursprünglich bereits die Weltmeister des Jahres 2001 André Florschütz/Thorsten Wustlich fest nominiert waren. Nachdem aber Florschütz/Wustlich zuletzt bei den Weltcup-Rennen schlechte Form zeigten, kamen Steffen Skel und Steffen Wöller doch noch in den Olympiakader. Gespannt war man vor allem, wie sich die deutschen Schlitten gegen die mitfavorisierten amerikanischen Schlitten in Szene setzen konnten. An anderer Stelle wurde ja bereits darauf eingegangen, dass der amerikanische Gastgeber sich gar nicht gastfreundlich verhielt, was die Anzahl der Trainingsläufe betrifft, die den mitkonkurrierenden Nationen (Deutschland, Österreich, Italien) zugestanden wurden. Die US-Schlitten durften beliebig viele Läufe auf der Olympiabahn absolvieren, ebenso die Nationen, die man sportlich nicht fürchtete.

Beim ersten Lauf setzten sich zunächst Steffen Skel und Steffen Wöller an die Spitze. Sie wurden jedoch schnell von beiden amerikanischen Schlitten abgelöst. Chris Thorpe/Clay Ives waren schneller als ihre amerikanischen Landsleute Brian Martin/Mark Grimmette. Doch beide amerikanische Schlitten waren im ersten Lauf nicht schnell genug, denn Patric Leitner und Alexander Resch gingen trotz eines groben Fehlers zunächst in Führung. Beim zweiten Lauf zogen Brian Martin/Mark Grimmette  an Chris Thorpe/Clay Ives vorbei, Steffen Skel und Steffen Wöller konnten sich nicht mehr verbessern und mussten mit dem undankbaren vierten Platz Vorlieb nehmen. Die Entscheidung lag also in den Händen von Patric Leitner/Alexander Resch, die als Erstplatzierte und Letzte des zweiten Durchgangs an den Start gingen. Auch dieser Lauf verlief nicht fehlerfrei, doch am Ende hatten Leitner/Resch auf Martin/Grimmette einen Vorsprung von ca. 0,13 sek und damit die Goldmedaille sicher. Für die Amerikaner blieb lediglich wie in Nagano 1998 Silber und Bronze. Das unsportliche Verhalten der Amerikaner hatte sich also nicht ausgezahlt. Die Rodel-Wettbewerbe sind somit beendet - aus deutscher Sicht muss man sagen "leider" . Unterm Strich bleiben zwei Goldmedaillen, 2 Silbermedaillen und 1 Bronzemedaille. Das ist eine Super-Leistung und dies zeigt deutlich die Dominanz der deutschen RennrodlerInnen.

Beim Skilanglauf stand das Jagdrennen bei den Damen an. Dieses besteht aus je einem 5km Langlauf auf der klassischen und der Freistil-Distanz, wobei die Freistil-Distanz in der Verfolgung gelaufen wird. Beim klassischen 5km-Rennen dominierten zunächst die Russinnen Olga Danilowa und Larissa Lasutina und führten das Klassement an. Eine der großen Favoritinnen und "Klassisch-Spezialistininnen" Bente Skari (NOR) kam nur auf Platz 3. Die Überraschung schlechthin im ersten Lauf war jedoch Viola Bauer aus Deutschland, die kräftig mitmischte und mit einem Rückstand von 20 Sekunden auf die Spitze Platz 5 belegte. Wer nun glaubte, Viola Bauer würde im anschließenden Verfolgungsrennen über 5km Freistil weit zurückfallen, sah sich getäuscht. Die beiden Russinnen Olga Danilowa und Larissa Lasutina waren weg und verteilten Gold und Silber unter sich. Aber um Bronze mischte Viola Bauer weiterhin zur Überraschung aller kräftig mit. Am Ende reichte es zu einem hervorragenden 5. Platz mit 1,2sek Rückstand auf die Bronzemedaillengewinnerin Beckie Scott aus Kanada.

Die Snowboard-Wettbewerbe gingen mit den Parallel-Riesenslalom-Läufen bei den Damen und Herren zu Ende. Wie erwartet, blieben die deutschen Snowboarder ohne Medaille und damit als einige der wenigen deutschen Sportler bei diesen Olympischen Spielen deutlich unter den Erwartungen. Bei den Damen gab es einen französischen Doppelsieg durch Isabelle Blanc und Karine Ruby, bei den Herren setzte sich im Finale der Schweizer Philipp Schoch gegen den Schweden Richard Richardsson durch.

Die deutschen Curling-Herren trafen auf den Olympiasieger und Goldfavoriten Kanada. In keiner Phase des Spiels hatte man gegen die routinierten Kanadier eine Siegeschance und  musste folgerichtig mit 7:9 die zweite Niederlage im Turnier einstecken.

Zum ersten Mal griffen die "großen sechs" Mannschaften Kanada, Russland, Schweden, Tschechien, USA und Finnland mit ihren NHL-Stars ins Olympische Eishockey-Turnier ein. Das Turnier begann gleich mit einer Überraschung, denn Schweden besiegte den Gold-Favoriten Kanada, welcher mit Superstars wie Mario Lemieux, Eric Lindros, Paul Karija und Joe Sakic angetreten war, mit 5:2. Überragender Mann bei den Schweden war der Goalie der Edmonton Oilers Tommy Salo.

Die deutsche Mannschaft, die in der Vorrunde eine überzeugende Leistung geboten hatte, traf auf keinen Geringeren als auf den Olympiasieger von 1998 und Weltmeister der letzten drei Jahre Tschechien. Schnell war klar, dass die deutsche Mannschaft bei diesem Spiel keine Chance haben würde. Zu stark war vor allem die erste Sturmreihe der Tschechen um Jaromir Jagr, Martin Rucinsky und Robert Lang. Außerdem hatte Torwart Künast keinen allzu guten Tag erwischt. Am Ende siegten die Tschechen mit 8:2. Dennoch kein Vorwurf an die deutsche Mannschaft. Nur unverbesserliche Optimisten konnten damit rechnen, dass die deutsche Mannschaft dieser Star-Truppe aus Tschechien Paroli bieten kann. Die deutsche Mannschaft hat ihr Soll mit dem Erreichen der Finalrunde bei weitem überschritten, nun gilt es von den großen Gegnern für die nächsten (aussichtsreichen) Jahre zu lernen und zu profitieren.

Gastgeber USA musste gegen Finnland antreten und kam zu einem in dieser Höhe sicherlich überraschenden 6:0-Sieg. Damit haben sich die Amerikaner bereits in ihrem ersten Spiel im Gegensatz zu den Kanadier in den engsten Favoritenkreis auf olympisches Gold gespielt.

Für Aufsehen sorgten heute zwei Diskussionspunkte am "grünen Tisch":

- Beim Eiskunstlaufen der Paare wurden ja mit 5:4-Preisrichterstimmen die Kür der Russen Jelena Bereschnaja/Anton Sicharulidse besser bewertet als die Kür der Kanadier Jamie Sale/David Pelletier. Nicht nur Katarina Witt, Olympia-Expertin der ARD, sprach nach diesem Urteil von Betrug. Sie sollte im Nachhinein Recht behalten, denn wie sich herausstellte, wurde die französische Preisrichterin von ihrem Verband im Vorfeld der Wettkämpfe  unter Druck gesetzt. Sie  sollte für das russische Paar stimmen. Im Gegenzug "versprach" der russische Preisrichter, im Eistanzen das französische Paar Marina Anissina und Gwendal Peizeirat auf den höchsten olympischen Thron zu heben. Die "Absprache" flog auf, das IOC traf die einzig richtige Entscheidung, annullierte die Wertung der französischen Preisrichterin und gab auch dem kanadischen Paar die verdiente Goldmedaille. Solche Machenschaften hatte man im Eiskunstlaufen nicht erst seit Salt Lake City vermutet, bewiesen werden konnten sie bis zum heutigen Tage allerdings nicht. Diese Vorkommnisse führen einem deutlich vor Augen, dass in Sportarten, wo keine messbaren Vergleiche gezogen werden können, der Manipulation Tür und Tor geöffnet sind. An dieser Stelle sollen auf keinen Fall die überragenden Leistungen des Schweizer Skispringers Simon Ammann auch nur im geringsten in Zweifel gezogen werden, aber wenn man die Landung des Schweizers beim zweiten Durchgang von der Großschanze näher betrachtet, fiel selbst einem Laien auf, dass es sich bei der Landung um alles andere nur nicht um eine Telemark-Landung handelte. Die Regel besagt eindeutig, dass bei einer solchen Landung zwei Punkte abzuziehen sind. Doch was taten die Preisrichter? Sie gaben fast einträchtig 19,0 und 19,5 Punkte. Fällt einem dazu etwas ein?

- Apropos Skispringen: Gestern Abend schien sich Sven Hannawald endgültig zum Pechvogel aus deutscher Sicht bei diesen Olympischen Spielen zu entwickeln. Zu Beginn der Spiele wurden bei ARD, ZDF und auch privaten Sendern Werbespots einer Joghurt-Firma mit Sven Hannawald gezeigt. Die Olympische Charta besagt, dass das IOC einem Sportler, der während der Olympischen Spiele Werbung macht, nicht nur die Akkreditierung, sondern auch bereits gewonnene Medaillen entziehen kann. Genau darüber gab es gestern Diskussionen im IOC. Der Generalsekretär des NOK Henze klärte das Ganze jedoch auf. Das IOC habe das NOK lediglich darauf hingewiesen, dass es verboten sei, während der Spiele Werbung zu machen, und bat um umgehende Abhilfe. Dies wurde dann auch sofort getan, um die gewonnene Silbermedaille nicht zu gefährden. Konsequenzen aus den bereits gelaufenen Werbespots werde das IOC jedoch keine ziehen d.h. Sven Hannawald darf seine Medaille behalten. Auch wenn die Regel eine andere Entscheidung des IOC durchaus zugelassen hätte, hätte man dafür nicht das geringste Verständnis haben können. Die olympische Charta braucht in einigen Punkten sicherlich dringend eine Überarbeitung, denn weder ist es mit dem olympischen Gedanken vereinbar, dass hoch bezahlte NHL-Profis bei Olympischen Spielen an den Start gehen dürfen noch dass zwischenzeitlich  bei Olympischen Spielen nur eines zählt: Profit machen um jeden Preis. Gerade wenn Amerika wieder einmal den Zuschlag für die Ausrichtung Olympischer Spiele erhält, wird einem der "Profitgedanke" deutlich vor Augen geführt. Nach welchen Kriterien teilweise die IOC-Mitglieder bei der Vergabe von olympischen Spielen entscheiden, weiß man ja bereits seit einigen Jahren nach den Aussagen des Schweizer IOC-Mitgliedes Marc Hodler. Wie heißt ein Sprichwort "Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen...". Getreu diesem Motto hat das IOC im Fall "Sven Hannawald" nun auch entschieden....

 

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