Tagebuch 20.09.2000

Olympische Spiele Sydney 2000

Tagebuch 20.09.2000

Endlich, am 5. Wettkampftag scheint der Knoten im deutschen Olympiateam geplatzt zu sein, denn es gab fast durchweg bessere Leistungen als an den vier vorhergehenden Tagen zu bestaunen. Eine unrühmliche Ausnahme war lediglich wieder einmal die Disziplin Schießen. Im Vorkampf noch in Führung liegend, verlor Sonja Pfeilschifter im Finale des Kleinkaliberwettbewerbes abermals die Nerven und am Ende blieb für die Weltmeisterin nur der "wertlose" 4. Platz.

Nachdem die Degen-Fechter der Herren und der Damen auf der ganzen Linie enttäuschten, verlief der Auftakt bei den Florettfechtern wesentlich verheißungsvoller. Ralf Bissdorf, Weltranglistenerster, kämpfte sich bis ins Finale vor. Dort traf er auf den Weltranglistenfünften, Young-Ho Kim aus Südkorea, gegen den er zuletzt zweimal verloren hatte. Ralf Bissdorf lag anfangs immer mit ein bis zwei Treffern in Führung, ehe sich das Blatt wendete. Der Koreaner Young-Ho zog auf 14 : 12 davon und musste eigentlich nur noch einen Treffer landen, um der erste koreanische Olympiasieger in der Disziplin Fechten zu werden. Doch Ralf Bissdorf zeigte entschlossenen Kampfgeist und konnte auf 14 : 14 ausgleichen. Der letzte Treffer musste nun entscheiden und der Koreaner traf 1/10-Sekunde schneller als Ralf Bissdorf. Der Koreaner war in einem jederzeit spannenden und gleichwertigen Finale der Glücklichere, doch Ralf Bissdorf freute sich zu Recht über seine gewonnene Silbermedaille.

Bereits vor dem Finale beim Florett-Fechten gab es in den frühen Morgenstunden im Kanuslalom Gold für Deutschland zu bejubeln. Thomas Schmidt deklassierte im Einer-Kajak die Konkurrenz mit einem Vorsprung von sage und schreibe 6 Sekunden. Er gehörte zwar zum Kreis der Medaillenkandiadaten, aber Topfavorit war der spätere Silbermedaillengewinner aus Großbritannien Paul Radcliffe.

Bei den Schwimm-Wettbewerben beeindruckten zunächst wieder die niederländischen Schwimmer. Inge de Bruijn stellte mit 53,77Sek über 100m Freistil in ihrem Halbfinallauf einen neuen Weltrekord auf. In diesem Halbfinale startete auch Sandra Völker; Ergebnis: Letzter, der Rest: Schweigen.
Pieter van den Hoogenband gewann seine zweite Einzelgoldmedaille in Sydney über 100m Freistil und setzte sich dabei gegen den russischen Weltklassemann Alexander Popow durch.
Eine gute Leistung brachte Christian Keller im Halbfinale über 200m Lagen. Mit der drittbesten Vorlaufzeit hat er morgen im Endlauf Chancen auf Bronze.

Mit Spannung erwartet wurde das 4x200m Freistil-Rennen der Damen. Für Deutschland gingen die großen Enttäuschungen Franziska van Almsick und Antje Buschschulte sowie Sara Harstick und Kerstin Kielgaß an den Start. Die beiden erstgenannten Schwimmerinnen schwammen im Rahmen ihrer derzeitigen (bescheidenen) Möglichkeiten: van Almsick eine 1:59er, Buschschulte eine 2:00er-Zeit. "Nesthäkchen" Sara Harstick übergab an dritter Stelle liegend hinter den enteilten Staffeln aus der USA und Australien an Kerstin Kielgaß, die sich in Sydney als eine der wenigen deutschen Schwimmerinnen in guter Form präsentierte. Diesen Eindruck bestätigte Kerstin Kielgaß auch im Staffelrennen. Nicht nur dass sie den 3. Platz absicherte, Kerstin Kielgaß lieferte ein beherztes Rennen und fast wäre es ihr gelungen, auch noch die Australierinnen vom 2. Platz zu verdrängen. Aber auch so freute man sich über Bronze. Dank hierfür gebührt Kerstin Kielgaß, eine rühmliche Ausnahme unter den vielen Enttäuschungen im Schwimmbecken.

Jens Fiedler war bei der Sprintkonkurrenz als Titelverteidiger ins Rennen gegangen, doch von vorne herein war klar, dass eine Titelverteidigung sehr schwer werden würde. Fiedler scheiterte so dann auch im Halbfinale gegen Marty Nothstein (USA) recht deutlich, gewann aber sein Rennen um Platz 3 gegen Weltmeister Laurent Gane aus Frankreich. Gold ging an Marthy Nothstein (USA), Silber an Florian Rousseau (Frankreich).

Beim Hockey-Turnier der Damen entwickelt sich die Volksrepublik China langsam aber sicher zum Favoritenschreck. Nach Olympiasieger Niederlande musste nun auch Deutschland dran glauben und unterlag mit 1 : 2.

Zu ihrem ersten Turniersieg kamen die deutschen Volleyballerinnen, die Peru mit 3 : 0 in die Knie zwangen.

Positiv überraschen konnte am heutigen Tage die deutsche Handball-Nationalmannschaft der Herren, die keineswegs favorisiert in das Spiel gegen Jugoslawien ging, zeigte sie doch in den letzten Jahren vor allem bei wichtigen Spielen Nervenschwäche. Die deutsche Mannschaft dominierte das Spiel zu jedem Zeitpunkt und ließ sich auch durch die überharte, von den norwegischen Schiedsrichtern jedoch kaum geahndete Gangart der Jugoslawen nicht beirren. Am Ende sprang ein in dieser Höhe sicherlich unerwarteter 28 : 22-Sieg heraus. Bester Mann auf dem Platz war der bisher relativ unbekannte Florian Kehrmann, den die Jugoslawen auf der rechten Seite nie in Griff bekamen und der zu diesem Sieg 7 Treffer beisteuerte. Frank von Behren bewies bei einigen Siebenmetern gute Nerven und erzielte insgesamt 6 Tore. Auch Volker Zerbe, mit 2,11m größter deutscher Spieler, wusste zu gefallen und traf aus dem Rückraum 5mal. In dieser Form muss man die deutsche Handball-Nationalmannschaft sicherlich zu den Medaillenkandidaten zählen, wobei der Kreis der Medaillenfavoriten mit Frankreich, Schweden, Russland und Spanien sehr groß ist.

Im olympischen Fußballturnier der Damen gab es in der "Todesgruppe" mit USA, China und Norwegen eine Überraschung zu bestaunen. Norwegen besiegte den Silbermedaillengewinner von 1996 China mit 2 : 1, steht zusammen mit Goldfavorit USA im Halbfinale und trifft dort am Sonntag auf die deutsche Mannschaft.

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