Tagebuch 27.09.2000

Olympische Spiele Sydney 2000

Tagebuch 27.09.2000

Endlich, am 12. Wettkampftag, konnte die deutsche Olympiamannschaft die sicherlich hochgesteckten Erwartungen voll und ganz erfüllen. Unterm Strich bleiben als Bilanz dieses überaus erfolgreichen Tages drei Goldmedaillen und eine Silbermedaille.

Doch der Reihe nach: Mitten in der Nacht mitteleuropäischer Zeit wurde das Herren-Straßenrennen der Radsportler gestartet. Mit am Start einige der besten Profis des Teams Deutsche Telekom: Jan Ullrich, Erik Zabel, Andreas Klöden, Rolf Aldag für Deutschland und Alexander Winkourow für Kasachstan sowie die nahezu gesamte Weltelite um Lance Armstrong und Laurent Jalabert. Jan Ullrich und Andreas Klöden waren bei der kurz vor den Olympischen Spielen stattgefundenen Spanien-Rundfahrt ausgestiegen und begründeten dies damit, dass sie die Spanien-Rundfahrt dieses Jahr lediglich als Vorbereitung für die Olympischen Spiele in Sydney angesehen hatten. Hierfür mussten sie in der Presse heftige Kritik einstecken und brachten sich somit für das heutige Straßenrennen in Zugzwang. Doch beide hielten im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Sportlern diesem Druck stand und setzten sich gemeinsam mit dem Kasachen Alexander Winokourow bei einer leichten Steigung vom Rest des Feldes ab. Vorteil dieser Situation war sicherlich, dass ausschließlich Fahrer des Teams Deutsche Telekom in dieser dreiköpfigen Spitzengruppe waren und gut zusammen arbeiteten, so dass das Feld keine Chance mehr hatte heranzukommen. Kurz vor dem Ziel konnte sich Jan Ullrich von Winokourow und Klöden lösen und sicherte Gold für Deutschland. Für Alexander Winokuorow, Jan Ullrichs wertvollster Helfer in den Bergen der Tour de France, und Andreas Klöden, Jan Ulrichs Freund, war der Lohn ihrer Mühen der Gewinn der Silber- bzw. Bronzemedaille. Ein großer Tag für den deutschen Radsport!!! Vielleicht hat jetzt auch der letzte Kritiker von Jan Ullrich eingesehen, dass es dieser meistens versteht, zu gewissen Top-Ereignissen in Top-Form zu sein. Eine Tatsache, an der sich viele andere deutsche Sportler ein Besipiel nehmen können!!

Nahezu zeitgleich mit den deutschen Radsportlern gewann auch die Dressur-Equipe von Deutschland in der Besetzung Isabell Werth, Alexandra de Simons-Ridder, Ulla Salzgeber und Nadine Capellmann Gold im Mannschaftswettbewerb und musste gegen die starken Niederländer lange um den Sieg bangen. Letztendlich setzte sich jedoch die deutsche Mannschaft durch und verwies die Niederländer und die USA auf die Plätze 2 und 3.

Rifat Yildiz unterlag in seinem Bronze-Kampf beim Ringen (griechisch-römischer Stil) in der Klasse bis 58kg, auch gehandicapt durch eine Gesichtsverletzung, dem Bronzemedaillengewinner von 1992 und 1996 Zetian Sheng aus China.

Bei den Leichtathletik-Wettbewerben war man aus deutscher Sicht vor allem gespannt auf den 800m Lauf der Herren und das Diskuswerfen der Damen. Im 800m Lauf kamen gleich sechs Läufer für die Medaillenplätze in Betracht: Weltmeister Wilson Kipketer aus Dänemark, der Weltjahresbeste André Bucher aus der Schweiz, Vize-Weltmeister Hezekiel Sepeng aus Südafrika, der WM-Dritte Djabir Said-Guerni aus Algerien, der russische Shooting-Star Juri Borsakowski sowie auch Nils Schumann aus Deutschland, der sich bei den vor den Olympischen Spielen stattgefundenen Grand Prix-Meetings rar gemacht hatte und sich ausschließlich auf das große Ereignis Sydney vorbereitete. Das Rennen kam dem spurtstarken Nils Schumann zunächst entgegen, denn die erste Runde war verhältnismäßig langsam. Der erste, der den Spurt anzog, war ca. 250m vor dem Ziel der Russe Borsakowski, welcher im Halbfinallauf ein fulminantes Rennen gelaufen war und das Feld eigentlich aussichtslos zurückliegend von hinten aufrollte. Doch der Antritt des Russen kam zu früh, er konnte dies nicht bis zum Ziel durchhalten. Ca. 50m vor dem Ziel zog Nils Schumann an und übernahm die Führung. Von hinten kamen noch Wilson Kipketer (DEN) und Djabir Said-Guerni (ALG) stark auf, konnten jedoch Nils Schumann nicht mehr gefährden. Ein Sensationssieg des 22jährigen Deutschen, der bereits vor 2 Jahren bei den Europameisterschaften als 20jähriger keine Furcht vor großen Namen gezeigt hatte und den großen Wilson Kipketer im Endlauf, sicherlich nicht regelgerecht, einfach beiseite schob und Europameister wurde.

Im Diskuswerfen konnte vor allem Weltmeisterin Franka Dietzsch die Erwartungen nicht erfüllen. Mit Mühe und Not schaffte sie in der Qualifikation gerade noch als 12. den Vorkampf. Im Vorkampf hatte sie erneut Mühe und qualifizierte sich wiederum als Letzte (8.) für das Finale. Letztlich reichte es nur zu 63,18m und Platz 6. Noch einen Platz hinter Franka Dietzsch war die Olympiasiegerin von 1996 Ilke Wyludda mit 63,16m platziert. Ilke Wyludda ist sicherlich eine der besten Diskuswerferinnen der Welt, doch angesichts der zahlreichen Verletzungen und Operationen, die sie in den vergangenen Jahren über sich ergehen lassen musste, ist diese Leistung von Ilke Wyludda nicht hoch genug einzuschätzen.

Ebenfalls nicht hoch genug einzuschätzen ist die Leistung des Zehnkämpfers Frank Busemann am 1. Tag des Zehnkampfwettbewerbes. Auf Platz 6 liegend mit persönlicher Bestleistung im Hochsprung (2,09m) hat er noch Kontakt zur breit gefächerten Spitze. Frank Busemann hatte seit Atlanta 1996 fast immer mit Verletzungen zu kämpfen und konnte selten so trainieren , wie er sich das vorgestellt hatte. Nicht auszudenken, was für Frank Busemann in Sydney möglich wäre, wenn er sein volles Trainingsprogramm nur mal über ein halbes Jahr hätte durchziehen können.

Der Weitsprung-Methusalem aus Jena Heike Drechsler ist auch wieder rechtzeitig zu Sydney in Form gekommen und qualifizierte sich als Beste des Vorkampfes für das Finale.

Besonderes gibt es vom Ringen zu vermelden: Der über ein Jahrzehnt ungeschlagene Russe Alexander Karelin hat in der Klasse bis 130kg/gr.-röm. in dem Amerikaner Rulon Gardner seinen Meister gefunden und verlor im Finale.

Man darf darauf gespannt sein, ob das Hoch der deutschen Olympiamannschaft auch in den letzten Tagen der Olympischen Spiele von Sydney anhalten wird, um vielleicht doch noch zumindest ein respektables, wenn auch kein gutes Gesamtergebnis mehr zu erreichen.

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