Tagebuch 26.09.2000 |
Olympische Spiele Sydney 2000
Tagebuch 26.09.2000
Am 11. Wettkampftag fielen lediglich 10 Entscheidungen, in denen 30 Medaillen zu vergeben waren. Fast logisch, dass die deutsche Olympiamannschaft auch heute ohne Sieger blieb und den Weg in die Zweit- bzw. Drittklassigkeit des Weltsports mit Riesenschritten entgegen geht.
Enttäuschung ist ein geflügeltes Wort, dass einem immer wieder in den Sinn kommt, wenn man über das Gesamtabschneiden der deutschen Olympiateilnehmer nachdenkt. Vor allem die Mannschaftssportler bemühten sich heute, an das bisherige Abschneiden fast aller deutschen Sportler nahtlos anzuknüpfen. Während man mit der 0 : 3 - Niederlage der Damen-Volleyballnationalmannschaft im Viertelfinale gegen Brasilien noch rechnen konnte, war es schon eine herbe Enttäuschung, auf welche Art und Weise die 26:27-Viertelfinal-Niederlage der Handball-Nationalmannschaft gegen Spanien zu Stande kam. Wieder einmal zeigten deutsche Athleten, dass ihnen in den entscheidenden Phasen und nur um diese geht es bei Olympischen Spielen, die Lockerheit (nicht zu verwechseln mit Arroganz und Selbstüberschätzung!), spielerische Leichtigkeit und Nervenstärke fehlt. Nichts war mehr zu sehen von den glanzvollen, im Endeffekt aber wertlosen Vorrundensiegen gegen Jugoslawien und Russland. Vielmehr zeigte die deutsche Handball-Equipe das, was man von ihr bei großen Turnieren in der Vergangenheit immer wieder gewohnt war, nämlich dass sie in brenzligen Situationen gnadenlos versagt.
Die Krönung der Leistungen der deutschen Mannschaftssportler lieferte jedoch die Herren-Hockeynationalmannschaft ab, der ein Unentschieden gegen den Tabellenletzten Großbritannien (!!) im letzten Gruppenspiel gereicht hätte, um ins Halbfinale einzuziehen. Doch selbst das war zu viel verlangt, mit 1 : 2 ging man geschlagen vom Feld und spielt nun um die Plätze, die bei Olympischen Spielen eigentlich niemanden mehr interessieren.
Es liegt uns
wirklich fern, unsere Tagebuch-Berichte auf diese vielleicht
polemisch klingende Art und Weise abzufassen, aber schön geredet
werden bestimmte Leistungen ja schon von gewissen Athleten,
Trainern und Funktionären. Beeindruckend hingegen war der
Fernsehauftritt des Präsidenten des Deutschen Kanu-Verbandes
Ulrich Feldhoff am frühen Morgen australischer Zeit, der endlich
einmal das Kind beim Namen nannte und einige Missstände ("Es
fehlt an der richtigen Umsetzung der Strategien") im
deutschen Sport aufzeigte. Der hat ja auch leicht reden, werden
ihm einige Funktionäre, Trainer und Athleten anderer Sportarten
entgegen halten, angesichts der Stärke der deutschen Kanuten,
die sicherlich fast ausnahmslos Weltklasse verkörpern und dies
sicherlich auch noch in den erst noch anstehenden Finalläufen
beweisen werden. Vielleicht gilt Herr Feldhoff künftig auch als
Nestbeschmutzer, weil er die Wahrheit und nichts als die Wahrheit
angesprochen hat.
Eines allerdings hebt Herrn Feldhoff und den Deutschen Kanu-Verband
von fast allen anderen Verbänden ab: Nach der Wende war man um
eine schnelle und reibungslose Integration der Sportler aus den
neuen Bundesländern bemüht und die Sportler hatten auch den
Eindruck, dass es der Kanu-Verband ehrlich und ernst meint. Außerdem
war man auch im Gegensatz zu vielen anderen Verbänden bereit,
die erfolgreichen Trainer aus DDR-Zeiten weiter zu beschäftigen
und bestimmte Ansatzpunkte aus dem DDR-Sportfördersystem zu übernehmen.
Die Ernte scheint der Deutsche Kanu-Verband nun einfahren zu dürfen:
Eine Goldmedaille im Kanuslalom wurde bereits gewonnen, weitere
Medaillen in den Rennsportwettbewerben werden zweifelsohne folgen.
Trotz vieler Enttäuschungen gab es wenigsten einige Medaillen am heutigen Tage. So gewann Hanka Kupfernagel im Straßenrad-Rennen der Damen Silber und wurde erst im Spurt von der niederlänischen Top-Fahrerin Leontien van Moorsel-Zijlaard geschlagen. Eine der wenigen Überraschungen aus deutscher Sicht gelangen den sympatischen "Beach-Volleyballsenioren" Jörg Ahmann und Axel Hager, die auch noch ihr Spiel um Platz 3 gewannen und sich zum Abschluss ihrer Laufbahn die Bronzemedaille sicherten.
Eine große Leistung bot auch noch Ronny Weller im Gewichtheben (Klasse über 105kg). Zunächst stellte er im Reißen einen Weltrekord mit 210,0kg auf, der aber nur Minuten später vom Iraner Hossein Rezazadeh bereits mit 212,5kg übertroffen wurde. Beim Stoßen brachte Ronny Weller in seinem 2. Versuch, nachdem er im 1. Versuch 250kg geschafft hatte, 257,5kg in die Höhe und übernahm die Führung, nachdem sein Gold-Konkurrent Rezazadeh lediglich 255kg auflegen ließ und erfolgreich bewältigte. Der letzte Versuch musste die Entscheidung bringen: Der Iraner meisterte auch 260kg. Ronny Weller wollte kein Risiko eingehen, weil auch der Russe Andrej Chemerkin, Olympiasieger von 1996, noch seinen dritten Versuch hatte und ließ 262,5kg auflegen. Diese Last jedoch konnte Ronny Weller nicht heben und gewann Silber, weil für Andrej Chemerkin die aufgelegte Weltrekordlast von 272,5kg eine Nummer zu groß war.
Weiter auf der Erfolgsspur präsentierte sich im Tenniswettbewerb Tommy Haas, der den Schweizer Federer im Halbfinale souverän in 2 Sätzen besiegte und nun im Finale auf Jewgeni Kafelnikow trifft. Tommy Haas ist einer der wenigen jungen deutschen Sportler, die in Sydney die Erwartungen übertroffen haben. Vielleicht ist im dabei seine langjährige Ausbildung in den USA zu Gute gekommen, wo er sich nicht nur spielerisch weiterentwickeln konnte, sondern auch einiges aus der Lebenseinstellung und Lockerheit der Amerikaner gelernt und übernommen hat.
Bei den Box-Wettbewerben
hat Sebastian Köber im Schwergewicht das Halbfinale erreicht und
somit Bronze bereits sicher. Im Halbfinale wartet auf Sebastian Köber
jedoch mit Felix Savon aus Kuba der Boxer dieses Boxturnieres
schlechthin. Eine schier unlösbare Aufgabe für den 21jährigen
Bankkaufmann.