Olympische Spiele der Neuzeit (Winter)

 

Olympische Winterspiele - Calgary 1988

Endlich, im vierten Anlauf klappte es mit einer Olympia-Vergabe nach Calgary. Bereits 1964, 1968 und 1972 hatte sich Calgary um die Ausrichtung Olympischer Winterspiele beworben, doch jedes Mal zog man den Kürzeren. Um so größer war die Freude, als im Kursaal von Baden-Baden die Wahl der IOC-Mitglieder auf Calgary fiel.

Calgary scheute keine Mühen und Kosten, um für die Olympischen Spiele Prachtbauten zu errichten. 220 Millionen kanadischer Dollars wurden für die Olympiabauten investiert, allein 97,7 Millionen kanadische Dollar für den Olympic Saddledome - den größten Hallenbau der olympischen Wintersportgeschichte. Die Halle wurde in der Form eines Reitsattels gestaltet und war bereits im Jahre 1983 die Heimat des Eishockey-Clubs Calgary Flames.

Ca. 10km Luftlinie vom Olympic Saddledome entfernt befindet sich auf dem Gelände der Universität das Olympic Oval, welches zum ersten Mal wetterunabhängige Eisschnelllauf-Wettbewerbe unter einem Hallendach gewährleistete. In die Bob- und Schlittenbahn wurden mit ca. 100km Vereisungsleitungen integriert, damit sie auch bei 20 Grad Plus noch funktionsfähig war.

Für die Eisschnelllauf-Wettbewerbe erwies sich das Hallendach als unsagbarer Vorteil, fast alle anderen Wettbewerbe wurden vom "Chinook", einem warmen Fallwind, der sich über die Ausläufer der Rocky Mountains schiebt, empfindlich gestört, so auch die Bobwettbewerbe. Der warme Wind ließ nicht nur die oberste Eisschicht weich werden, sondern blies auch noch den Sand in die Bahn, so dass einige schon von "Sandbahnrennen" sprachen. Das Zweierbob-Rennen gewannen überraschend die Russen Janis Kipurs und Wladimir Koslow, beim Viererbob setzte sich der Bob Schweiz I durch.

Die Eiskunstlauf-Wettbewerbe standen ganz im Zeichen des Duells zwischen Titelverteidigerin Katarina Witt aus der DDR und ihrer amerikanischen Konkurrentin Debi Thomas. Beide Damen hatten auch noch das gleiche Thema gewählt: Carmen. Die bessere Carmen war jedoch eindeutig die hübsche Kati aus Karl-Marx-Stadt. Mit ihrer Kür, bei der sie viel Einfühlungsvermögen zeigte, setzte sie die nach ihr startende Amerikanerin enorm unter Druck. Diesem Druck konnte Debie Thomas nicht standhalten, machte Fehler über Fehler und belegte am Ende hinter der Kanadierin Liz Manley gar nur Rang 3.

Die jüngste Olympiasiegerin in der Geschichte der Winterolympiade ging ebenfalls aus den Eiskunstlauf-Wettbewerben hervor, die erst 16 jährige Russin Jekaterina Gordejewa gewann mit ihrem Partner Sergej Grinkow Gold im Paarlaufen.

Bei den Damen-Konkurrenzen im Eisschnelllaufen fiel auf, dass die DDR bei weitem nicht mehr so dominierend war wie noch vier Jahre zuvor in Sarajewo. Grund dafür war die Niederländerin Yvonne van Gennip, die den Mädchen aus dem Osten Deutschlands ein Schnippchen schlug und dreimal Gold (1500m, 3000m und 5000m) gewann. Dennoch konnte auch die DDR insgesamt 3 Goldmedaillen bei den Eisschnelllauf-Wettbewerben verbuchen: Über 1000m der Damen siegte Christa Rothenburger, bei den Herren über 500m Uwe-Jens Mey und über 1500m André Hoffmann.

Die alpinen Skiwettbewerbe brachten sowohl bei den Herren als auch bei den Damen neue Stars hervor: Der Italiener Alberto Tomba fiel nicht nur durch seine Eskapaden, sondern auch durch große sportliche Leistungen auf. Er gewann in souveräner Manier Gold im Slalom und im Riesenslalom. Die eher zurückhaltende Vreni Schneider aus der Schweiz tat es ihm bei den Damen-Konkurrenzen gleich und siegte ebenfalls im Slalom und Riesenslalom. Endlich einmal hatte auch die deutsche Ski-Nationalmannschaft wieder Grund zum olympischen Jubel: Die Münchnerin Marina Kiehl gewann die Königsdisziplin Abfahrt bei den Damen und erklärte kurz nach ihrem Sieg den Rücktritt vom Leistungssport. Ein spektakuläres Comeback feierte die zur Frau gereiften Christa Kinshofer-Güthlein, die im Riesenslalom Silber und im Slalom Bronze erkämpfte.

Bei den nordischen Wettbewerben im Skilanglauf entfachte sich wieder einmal ein Kampf zwischen der UdSSR und den nordischen Ländern. Alle Goldmedaillen gingen entweder an die UdSSR oder aber an Finnland oder Schweden.

In der nordischen Kombination wurde erstmals auch ein Mannschaftswettbewerb ausgetragen und gleich gewann die deutsche Mannschaft in der Besetzung Hubert Schwarz, Thomas Müller und Hans-Peter Pohl die Goldmedaille. Im Skispringen dominierte nur ein Mann und zwar Matti Nykänen aus Finnland. Er gewann nicht nur die beiden Springen von der Normal- und Großschanze, sondern setzte sich auch noch im Mannschaftsspringen mit Finnland durch.

Die Rodelwettbewerbe standen wieder einmal im Zeichen der DDR. Alle Goldmedaillen (Jens Müller - Herren; Steffi Walter - Damen; Jörg Hoffmann/Jochen Pietzsch - Doppelsitzer) gingen an die DDR, aber auch die Bundesrepublik kam mit Georg Hackl (Silber) und Thomas Schwab/Wolfgang Staudinger (Bronze) zu Medaillenehren.

Im Eishockey nichts Neues: Wieder siegte die UdSSR. Dieses mal mussten sich Schweden und Finnland mit den 2. und 3. Plätzen zufrieden geben. Die erfolgsverwöhnte CSSR blieb ohne Medaille.

Die Spiele in Calgary waren auch "Spiele der Exoten": Fast in allen Sportarten traten sogenannte Exoten auf, die einerseits für eine Auflockerung der Spiele sorgten, andererseits aber auch bestimmte Funktionäre zum Nachdenken zwangen, wie man zukünftig die Qualifikationskriterien festlegen sollte.

Spektakulär bei den Bobrennen der Auftritt eines Teams aus Jamaika - dieser Auftritt sollte später sogar noch verfilmt werden ("Cool Runnings"). Bei den Bobrennen präsentierte sich auch ein Team aus Monaco, welches von Prinz Albert als Pilot angeführt wurde. Die Teilnahme von Prinz Albert lockte zahlreiche "Adlige" an die Bobstrecke.

Beim Rodeln sorgte George Tucker aus Puerto Rico für Aufsehen. Er bezeichnete sich selbst als den ältesten, dicksten und schlechtesten Rennrodler der Welt, womit er jedoch falsch lag, denn er schlug den Argentinier Albertus Carpentier Altin aus Argentinien und belegte den vorletzten Platz.

Für das größte Aufsehen jedoch sorgte der britische Skispringer Eddie "The Eagle" Edwards. Eddie Edwards war ein arbeitsloser Maurer aus Cheltenham und fiel aufgrund seiner Kurzsichtigkeit mit seinen großen Brillengläsern regelrecht auf. Er verstand es als "Skisprung-Clown" die Massen in seinen Bann zu ziehen, weniger sportlich - seine Weiten betrugen meistens um die 50m -, vielmehr als Sympathieträger. Schon bald hatte Eddie Edwards mehr Werbepartner als die meisten Weltklasse-Skispringer. Dies rief selbstverständlich viele Neider auf den Plan. Eddie Edwards war zwar der Schlechteste, aber neben Matti Nykänen der bestverdienende Skispringer. Schon bald wurden die Qualifikationskriterien beim Skispringen geändert und der Karriere von Eddie Edwards wurde ein jähes Ende gesetzt.

In Calgary nahmen 1423 Sportler (darunter 315 Damen), verteilt auf 57 Mannschaften, teil. in 46 Wettbewerben wurden olympische Medaillen verteilt. Als Demonstrationssportarten wurden Curling, Freestyle und Short Track vorgestellt. Die Spiele wurden am 13.02.1988 im McMahon Stadium durch die Generalgouverneurin Jeanne Sauvé eröffnet und fanden ihren Abschluss mit einer Ansprache des IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch am 28.02.1988 ebenfalls im Mc Mahon-Stadium. Der olympische Eid wurde für die Sportler vom Ski- und Straßenradsportler Pierre Harvey, für die Kampfrichter von der ehemaligen Eiskunstläuferin Suzanne Morrow gesprochen. Letzte Trägerin der olympischen Flamme war die junge Eiskunstläuferin Robyn Perry.

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