Olympische Spiele der Neuzeit

 

Amsterdam 1928

Knarrend im alten Gebälk drehten sich nah und fern die Flügel der Mühlen. Still und schwer stand in den geraden Kanälen ein trübes Wasser. Auf der Dammstraße klapperte über die sauber gesetzten Ziegel der Holzschuh einer Bäuerin. 30km von Amsterdam entfernt bedeutete das Wort "Olympia" noch ein leeres Phantom. Aber dieser Geist der Beschaulichkeit und des Friedens war die Atmosphäre der IX. Olympischen Spiele. Die Zeit hatte nach 10 Jahren Linderung der klaffenden Wunden des Weltbrandes gebracht. Zum ersten Mal schlossen sich die Glieder zu einer lückenlosen Kette, die die Welt umspannte. Nach 16jähriger Abwesenheit kehrte Deutschland in den Kreis der olympischen Nationen zurück.

D e u t s c h l a n d, dessen Sport in dieser Zeitspanne wie eine Flamme aus einem Funken emporloderte, in dessen Leben der Sport Kultur und Hoffnung einer besseren Zukunft war. Deutschland, das blutend und zerfetzt in seinem Volkskörper, in der Erstarkung des Leibes die Grundlagen für die geistige Erneuerung baute. Deutschland sollte der Eckstein werden in dem Kampf Europas gegen die übermächtige amerikanische Welt. Wohl gelang es den deutschen Athleten, bis in die Entscheidungen vorzustoßen, aber dann fehlte es an Welterfahrung, an letzter Konzentration, die aus der unsichtbaren Willensgewalt der Nation quellen musste. Der Ansturm verebbte, in der Leichtathletik blieb ein Sieg versagt. In der Gesamtwertung stieg Deutschland mit elf ersten, neun zweiten und zwanzig dritten Plätzen vor Finnland auf den zweiten Platz der Nationenwertung.

Symbolhaft strahlte an einer Stelle aus den deutschen Leistungen ein besonderes Licht: der stolze Triumph der Wasserballmannschaft. In ihm manifestierte sich der Gemeinschafts- und Kameradschaftsgeist in besonderer Art. In Stockholm 1912 wurde das erste Wasserballturnier noch ohne Beteiligung Deutschlands ausgetragen, nun führte der "Versuch einer Teilnahme" gar zu einem Finalsieg. Das Spiel gegen den Favoriten U n g a r n schlug seine Wellen weit über das Wasserbecken des Stadions hinaus. Aus einem Pausenstand von 0 : 2 wurde ein 2 : 2. Und dann in der Verlängerung ein phänomenaler 5 : 2-Sieg. Wenn sich im Dunkel der Nacht die Schatten der Bauten über die Wettkampfstätten legten, dann schritten in der Stille wie unsterbliche Götter die gigantischen Heroen der europäischen Elite durch das graue Wolkenmeer. Mochte Amerika die Fülle der Siege an das Sternenbanner geknüpft haben, an einsamer Größe reichte keiner der amerikanischen Athleten an das edle Paar heran, dessen Haltung und Größe wie Wahrzeichen des olympischen Gedankens vor den Augen der Menschen standen.

In L o r d B u r g h l e y feierte das alte Europa in Erscheinung und Leistung seinen edelsten Sieger und schweigend, wie er gekommen war, nahm der große P a a v o N u r m i aus dem jungen finnischen Volke Abschied für immer aus dem olympischen Siegertum.

Die Olympischen Spiele 1928 wurden am 28. Juli offiziell vom Prinzen Hendrik der Niederlande eröffnet. 3014 Athleten aus 46 verschiedenen Ländern (darunter 290 Damen) stritten sich bei 109 Wettbewerben in 16 Sportarten und 5 Kunstwettbewerben um olympische Ehren. Der Sprecher des olympischen Eides war der niederländische Fußballspieler Harry Dénis.

Zurück zur Historien-Übersicht dieser Sportart