Olympische Spiele der Neuzeit

 

Moskau 1980

Es hatte im Jahre 1974 kaum Gegenstimmen gegeben, als das Internationale Olympische Komitee die Olympischen Sommerspiele 1980 an die UdSSR vergab, obwohl das Land - gemessen an den großen Sportnationen dieser Welt - noch eine relativ kurze olympische Tradition aufwies.

Das zaristische Russland hatte im Jahre 1900 und dann von 1906 bis 1912 teilgenommen. Athleten aus Estland und Lettland, vor 1918 russische Provinzen und nach 1940 von der Sowjetunion annektiert, waren als eigene Mannschaften von 1920 bis 1936 dabei gewesen. Erst im Jahre 1952 konnte man die UdSSR im Kreise der olympischen Familie begrüßen. Dann alerdings entpuppte sich der Neuling schnell als Medaillenhamsterer. Nach den politischen Querelen im Vorfeld der vergangenen Spiele hoffte das IOC dieses Mal auf einen reibungslosen Verlauf.

Das Gewitter zog im Dezember 1979 am sportpolitischen Himmel auf: Die UdSSR marschierte in Afghanistan ein, und in der nichtkommunistischen Welt, angeführt von den USA, baute sich eine Bewegung auf, die Spiele von Moskau zu boykottieren. Als es nur um die Lippenbekenntnisse "Boykott ja oder nein" ging, da zeigte sich der Westen als geschlossene Front. Als dann Olympia immer näher rückte, bröckelte die Phalanx schnell auseinander. Es ist schwer zu sagen, wie viele Länder in Moskau nicht antraten, weil sie ein Zeichen gegen die Afghanistan-Invasion setzen wollten. Viele, die sich dieses politische Mäntelchen umhängten, wären vielleicht auch aus anderen finanziellen Gründen zum Beispiel in Moskau nicht erschienen. Von den bedeutenden Sportnationen der Welt jedenfalls fehlten nur sehr wenige. Die USA, die Bundesrepublik Deutschland, Japan, Kanada und im zweiten Glied dahinter Staaten wie Kenia, Norwegen, Israel und die Türkei. Der Rest zog nach Moskau, um olympischen Ruhm zu ernten.

Sportanlagen, Organisationen und Besucherstrom - alles zeigte sich von der besten Seite. Neue Wettbewerbe wie Damenhockey, zwei neue Judoklassen und eine weitere Kategorie bei den Gewichthebern ließen die Gesamtzahl der erreichbaren Goldmedaillen auf 203 in 23 Sportarten schnellen, um die sich 5217 Teilnehmer (1125 Damen) aus 81 Ländern sportlich stritten. Die offizielle Eröffnung der Spiele wurde vom Präsidenten der UdSSR Leonid Breschnew vorgenommen. Sprecher des olympischen Eides war für die Athleten der vielfache Turn-Olympiasieger Nikolai Andrianow, für die Kampfrichter der ehem. russische Olympiasieger im Ringen Alexander Medwedew. Als letzte Fackelläufer wurden der russische Basketballer Sergej Below, der die Fackel vom Dreispringer Wiktor Sanejew erhalten hatte, eingesetzt.

Die Heldin der Spiele von Montreal, Nadia Comaneci aus Rumänien, war zwar wieder dabei, aber sie wurde trotz zweier Goldmedaillen von einem neuen Stern am Turnerhimmel überstrahlt. Dieses Mal ein Mann: Alexander Ditjatin aus der UdSSR. Er wurde drei Mal Olympiasieger, vier Mal Zweiter und ein Mal Dritter. Diese acht Medaillen bedeuteten einen bisher einmaligen Rekord bei Olympischen Spielen: Noch nie gewann ein Sportler - egal ob Mann, ob Frau - bei einzelnen Olympischen Spielen - gleich in welcher Sportart - mehr Medaillen. Im Pferdsprung gaben ihm die Kampfrichter als erstem Turner der Welt die Höchstnote 10,0. Sein Mannschaftskamerad Nikolai Andrianow schraubte in Moskau die Gesamtzahl seiner Medaillen auf 15 (7xGold, 5 Silber, 3xBronze) - nach der Zahl der olympischen Medaillen ist dies ebenfalls Weltrekord bei den Herren.

Bei den Leichtathletik-Wettbewerben im Leninstadion dominierten die Athleten aus Ostafrika auf den Langstrecken. Miruts Yifter aus Äthiopien siegte sowohl im 5000m- als auch im 10.000m-Lauf. Der 100m-Einlauf war der knapsste seit 28 Jahren: Der Schotte Allan Wells und der Kubaner Silvio Leonard erreichten beide 10,25s, aber das Zielfoto entschied für den Europäer. Zwei andere Briten, Sebastian Coe und Steve Ovett, sollten nach einer ganzen Serie von vorausgegangenen Weltrekorden jetzt endlich Antwort auf die Frage geben: Wer ist der Schnellste? Die beiden machten es diplomatisch: Jeder siegte ein Mal. Ovett gewann über 800m, der Strecke, auf der eigntlich Coe bisher bessere Leistungen gezeigt hatte, über 1500m war es genau umgekehrt.

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