Olympische Spiele

Olympia in der Antike

Vom Ölzweig bis zur Goldmedaille

Dass Baron Pierre de Coubertin als Begründer der Olympischen Spiele der Neuzeit gilt, ist allgemein bekannt. Die Idee, sich in olympischen Wettkämpfen zu messen, kann sich der Baron jedoch nicht an sein Revers heften, denn die Griechen kämpften schon lange vor den Olympiaden der Neuzeit um olympische Ehren.

Als Ahnherrn der olympischen Wettkämpfe im Altertum stehen viele zur Wahl. Die Sage nennt fast ein Dutzend berühmter Männer als Gründer oder Erneuerer, doch ist bisher keiner durch einen Beweis bestätigt worden.

Gleich zweimal ist der Name Herakles vertreten: Herakles, der vom kretischen Ida nach Olympia gekommen war, konkuriert mit dem Herakles aus Theben, der Zeus zum Vater hatte. Herakles aus Kreta, so heiß es, sei zusammen mit seinen vier Brüdern beauftragt gewesen, den jungen Zeus zu beaufsichtigen. Innerhalb seiner Tätigkeit habe er einen Wettlauf veranstaltet zwischen seinen Brüdern und den Sieger mit Zweigen vom wilden Ölbaum gekrönt. Die olympischen Kämpfe seien geboren gewesen.

Der Herakles aus Theben hingegen, der hierzulande als Herkules besser bekannt ist, soll die Olympischen Spiele aus anderem Anlass geschaffen haben. Auf seiner Suche nach ständig neuen Großtaten, so behauptet die Sage, habe er eines Tages die Aufgabe übernommen, den entsetzlich verdreckten Stall des Königs Augias zu reinigen. Er trieb die 3.000 Rinder auf die Weide, leitete den Fluss Alpheios durch die Stallungen und machte auf solche Art in des Wortes wahrster Bedeutung "kurzen Aufwasch". Er geriet über die Nützlichkeit der Methode jedoch rasch mit König Augias in Streit und schließlich in Krieg. Herakles gewann den Kampf und stiftete zum Dank die Olympischen Wettspiele.

Solche Erklärung steht freilich im Widerspruch zu jener Sage, nach der Pelops, Fürst aus Lydien und Sohn des Tantalos, der Mann gewesen ist, dem die Spiele zu danken sind. In einem Wagenrennen, das er gegen König Oinomaos gewann, habe er dessen Tochter Hippodameia als Preis bekommen. Aus Dankbarkeit soll er die ersten Olympischen Spiele ausgeschrieben haben.

Insgesamt teilen sich fast ein Dutzend berühmter Männer die Ehre, Urvater der olympischen Wettkämpfe zu sein. Für sie alle hat die Geschichte jedoch keine Beweise in der Hand. Das erste Indiz hat König Iphitos von Elis geliefert. Im 8. Jahrhundert v. Chr. ließ er auf einen Diskus den Text eines Vertrages ritzen, den er mit Lykurg, dem Herrscher von Pisa, geschlossen hatte: "Olympia ist ein heiliger Ort. Wer es wagt, diese Stätte mit bewaffneter Hand zu betreten, wird als Gottesfrevler gebrandmarkt. Ebenso gottlos ist aber auch jeder, der, wenn es in seiner Macht steht, eine Untat solcher Art nicht rächt."
Iphitos schloß diesen Vertrag, nachdem Kriege und Pest sein Land verwüstet hatten. Von den Göttern soll er den Rat erhalten haben: "Bewohner des Peleponnes! Sucht auf die Tempel, bringet dort Opfer und beherzigt alles, was euch die Priester von Elis, seine Wahrsager, mitteilen." Von jenen Eleern, die ihren Rat vom Orakel in Delphi empfingen, erfuhr Ipithos: "Beschützt euer Vaterland, enthaltet euch des Krieges, pflegt die gemeinsamen Freundschaften mit den Hellenen, so lange zu euren alljährlichen Festen das Freudenjahr kommt."
König Iphitos entnahm dieser Aufforderung, dass er die Olympischen Spiele, von denen die Überlieferung berichtetete, erneuern sollte. Er schloss den erwähnten Vertrag mit Lykurg und Kleosthenes und leitete damit eine Serie von sportlichen Wettkämpfen ein, die im Abstand von vier Jahren stattfanden. Man gab dieser Zeiteinheit die Bezeichnung Olympiade.

Die offizielle Zeitrechnung nach Olympiaden beginnt mit dem Jahr 776 v.Chr. Zu diesem Zeitpunkt fanden im Heiligen Hain von Olympia die ersten Olympischen Spiele unter Iphitos statt. Koroibos, ein Koch aus Elis, ist der erste Sieger gewesen.
Zugelassen waren anfangs nur Athleten aus den drei Stadtstaaten Elis, Sparta und Pisa. Von ihnen wurde verlangt, dass sie frei und von griechischer Herkunft, ehelich geboren und im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte waren. Außerdem durften sie keines Verbrechens schuldig sein und keine Religionsverletzung begangen haben. Vor der Statue des Zeus mussten sie dies alles beschwören.

Die Spiele, die zunächst nur lokalen Charakter hatten, gewannen sehr schnell an Bedeutung. Sie wurden bald zu hellenischen, großgriechischen und schließlich, als auch Römer zugelassen wurden, zu einer universellen Veranstaltung. Ebenso schnell weitete sich das Programm aus. Ursprünglich soll der sportliche Teil des Festes in Olympia nur aus einer einzigen Konkurrenz bestanden haben: dem Stadionlauf über 192,27 Meter. Bei der 14. Olympiade, so wird vermutet, ist der doppelte Stadionlauf hinzugekommen. Später folgten der Fünfkampf, Ringen, Faustkampf, Pferdesport und der Allkampf, ein Ringkampf im freien Stil, bei dem auch Boxhiebe erlaubt waren. Auf dem Höhepunkt der Olympischen Spiele der Antike sollen die Wettkämpfe fünf bis sechs Tage gedauert haben. Mit der Kränzung der Sieger im Tempel gingen die Wettkämpfe zu Ende.

Die Teilnehmer an den Spielen mussten 30 Tage vor der feierlichen Eröffnung im Trainingsquartier in Elis sein und mit der Vorbereitung beginnen. 57 Kilometer von den offiziellen Wettkampfstätten entfernt, bereiteten sich Kampfrichter und Aktive gemeinsam auf die Spiele vor. Sie wurden schließlich mit dem Kampfruf entlassen: "Auf nach Olympia! Betretet das Stadion und zeigt euch als sieghafte Männer. Wer aber nicht vorbereitet ist, der gehe, wohin er will."

Anfangs erhielten die Sieger von Olympia einen Zweig vom heiligen Ölbaum als einzigen Preis, welcher einen symbolischen Wert hatte. Er sollte bedeuten, dass sich die Kräfte der Vegetation auf den Geschmückten übertragen.

Es blieb allerdings nicht beim Ölzweig. Die Sieger erhielten alsbald auch materiellen Lohn (z.B. Geldgeschenke, Steuerbefreiung, kostenlose Verpflegung bis ans Lebensende, Ehrentitel etc.). Auch zahlreiche Kaiser oder Könige wie Philipp II. von Mazedonien, Tiberius und Nero nahmen ebenso wie Alexander I. an den olympischen Wettkämpfen teil. Großen Ruhm erreichten aber auch besonders schöne Athleten, die besonders starken und die mehrfach erfolgreichen Teilnehmer. Bis in unsere Zeit reicht der Ruhm des Ringers Milon, der mit 17 Jahren seinen ersten Sieg errang und hernach noch fünfmal als Sieger gekrönt worden ist.

Die sportlichen und auch andere Leistungen der Olympia-Kämpfer wurden von 30.000 Zuschauern bewundert. Sie kamen anfangs nur aus den umliegenden Städten, später aus dem ganzen Mittelmeerraum. Unterkünfte gab es keine, so dass die Zuschauer mit Zelten vorlieb nehmen mussten. Trotz dieser schlechten Rahmenbedingungen drängten viele Persönlichkeiten zu den Olympischen Spielen. Ob Barbaren und Sklaven als Zuschauer zugelassen waren, ist nicht genau bekannt, Frauen jedoch war das Zuschauen strengstens verboten. Bei einem Verstoß sollte die "Sünderin" vom Berg Typaion gestürzt werden. Das Publikum in Olympia hat sich unzweifelhaft nicht sehr sportlich verhalten, was Dion Chrysostomus zu der Bemerkung über die Zuschauer veranlasste: "Kommet ihr in die Rennbahn, was ist das für ein unsägliches Schreien und Lärmen, für eine erschreckende Aufregung. Wie wechselt ihr in einem fort Haltung und Farbe und stoßet endlose und was für Schmähungen aus.

Langsam aber stetig gerieten die Olympischen Spiele des Altertums in Verfall. Der Professionalismus untergrub die Wettkämpfe im Heiligen Hain von Olympia. 393 n.Chr., nach 292 Olympiaden, wurden sie von Kaiser Theodosius I. verboten. Kaiser Justinian erneuerte 150 Jahre später das Verbot, nachdem sich die Griechen verzweifelt bemüht hatten, ihre Spiele fortzuführen.

Fast eineinhalb Jahrtausende gab es danach kein gleichrangiges Ereignis in der Welt.